Der Besuch der Rückenschmerzen – eine etwas andere Adventsgeschichte

 

Mia litt seit einigen Tagen unter starken Rückenschmerzen. Um diese wieder loszuwerden, unternahm sie zunächst einige herkömmliche Versuche, jedoch jeweils bloss mit mässigem bzw. nicht wirklich anhaltendem Erfolg. So entschloss sie sich schliesslich dazu, den Widerstand aufzugeben und die Rückenschmerzen anzunehmen – nein, mehr noch: Sie lud sie bewusst ein, hiess sie willkommen, um erfahren zu können, was sie ihr mitzuteilen hatten. So öffnete sie die Tür, und vor ihr stand eine komplett in Schwarz gehüllte Gestalt, mit gesenktem Kopf und stark nach vorne gebeugter Körperhaltung. Beim Anblick war sogleich klar, dass es sich hierbei um ein sehr altes Wesen handeln musste. Mia bat sie hinein und bot ihr einen Stuhl am Tisch an, um sich ihr gegenüber zu setzen und sich anzuhören, was sie ihr mitzuteilen hatte. Die Gestalt liess sich nicht lange bitten und begann sogleich, ihr Leid zu klagen. Sie erzählte von längst vergangenen Zeiten, von der Feldarbeit, Kriegen, Hungersnöten, Ungerechtigkeiten, Schmerz, Trauer, Unterdrückung, dem ewigen Kampf ums Überleben... – sie war des Lebens sichtlich müde und drohte unter ihren Lasten zusammenzubrechen.

 

Währendem sie so erzählte, erschienen einige Meter von ihr und Mia entfernt immer mehr Ahnen, die sich schliesslich in einer riesigen Gruppe zusammenfanden, um dann gemeinsam zu raunen, diese Gestalt gehöre zu ihnen. So fragte Mia ihren Besuch, ob er denn bereit dazu sei, sich zu der Gruppe der Ahnen hin zu bewegen, was die Gestalt dann auch tat. Sie trat in die Gruppe ein und sogleich begannen die Ahnen damit, sie zu berühren und einzelne schwarze Lumpen von ihr abzuziehen. So wurde sie förmlich durch die Ahnenschar hindurch geschoben und wurde dabei immer weniger... Als schliesslich auch noch der letzte Umhang entfernt wurde, kam darunter ein Kind zum Vorschein. Mia erkannte es sofort als ihr eigenes – ein Anteil ihres Inneren Kindes. Es war zwar sehr schmutzig, blickte aber erfreut und neugierig zu Mia. Diese kniete sich hin, öffnete ihre Arme und rief dem Kind zu: „Komm'! Du gehörst zu mir!“ Das Kind strahlte und rannte in Mia's Arme, die es in einer innigen Umarmung fest an sich drückte.

 

Danach knieten sich beide vor den Ahnen hin, bedankten sich und versicherten ihnen, dass sie die Schwere ihrer Schicksale auch weiterhin achten würden, wenngleich sie nun künftig nicht mehr daran mittragen würden, da die Lasten für sie schlicht zu gross und zu schwer seien. Die Ahnen nickten zustimmend und schauten äusserst liebevoll auf Mia und das Kind.

 

Nachdem Mia wieder aufgestanden war, verneigte sie sich in Liebe und Dankbarkeit vor den Ahnen und wandte sich dann von ihnen ab – ihr Inneres Kind hielt sie dabei fest an ihrer linken Hand. Erleichtert und tief bewegt nahm sie so schliesslich einen tiefen Atemzug und tat dann einen bewussten Schritt vorwärts in ihr eigenes Leben, das sich nun befreit und leicht anfühlte.

 

DANKE  

Bild von Lichtpunkt Leben zu Blog-Artikel über den Besuch der Rückenschmerzen, in schwarzen Umhang gehüllte Gestalt